Arbeitszeugnis: Wohlwollen versus Ehrlichkeit

Das Schreiben eines Arbeitszeugnisses gleicht einem Minenfeld. Der Arbeitgeber muss ehrlich sein, darf aber das Fortkommen der Arbeitnehmer:innen nicht unnötig erschweren. Wie also sollen negative Eigenschaften benannt werden? Und darf eine angestellte Person, die in der Probezeit bereits wieder entlassen wird, ein Arbeitszeugnis verlangen?

Oft hört man die Aussage: «Arbeitszeugnisse sind eh nichts wert». Viele Arbeitszeugnisse werden mit Softwares erstellt und enthalten daher fast nur Standardformulierungen. Zudem gibt es viele «Gefälligkeitszeugnisse», in denen der Arbeitgeber sich nicht traut, etwas Schlechtes zu schreiben, nur um einen allfälligen mühsamen Konflikt mit dem / der Arbeitnehmer:in zu vermeiden. Offenbar ist ein Konflikt mit der angestellten Person präsenter als die Haftungsgefahr, die der Arbeitgeber mit einem unwahren Arbeitszeugnis läuft. Somit entsprechen die Arbeitszeugnisse häufig gar nicht der ganzen Wahrheit. Dennoch: Es gibt auch Beispiele von guten, individuellen und aussagekräftigen Arbeitszeugnissen, die einem künftigen Arbeitgeber wertvolle Hinweise auf die Person geben, die er einzustellen erwägt. Noch immer gehören Arbeitszeugnisse zur gängigen Praxis. Daher bleibt auch die Frage relevant, wie Wohlwollen und Ehrlichkeit in dem Zeugnis zueinander stehen.

Grundsätzlich gilt: Im Arbeitszeugnis darf etwas Negatives stehen, wenn es den Tatsachen entspricht und die ausgeübte Tätigkeit betrifft. Das Arbeitszeugnis soll zwar wohlwollend formuliert sein, in erster Linie hat ein Arbeitszeugnis aber der Wahrheit zu entsprechen. Negatives, das wesentlich war für die Aufgabenerfüllung und für die Beziehung von Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber, muss im Arbeitszeugnis erwähnt werden. Hat eine angestellte Person ihre Leistungen nicht zur Zufriedenheit des Arbeitgebers erbracht (und wurde sie vielleicht sogar deswegen entlassen), so steht der Arbeitgeber vor der schwierigen Herausforderung, diese Wahrheit im Arbeitszeugnis so wohlwollend wie möglich – aber den Tatsachen entsprechend – zu formulieren. Zweideutige oder schwammige Formulierungen respektive Codierungen, die Negativpunkte hinter scheinbar netten Sätzen verbergen, sind dabei unzulässig; dies auch wenn sie in der Praxis immer wieder vorkommen.

Gesundheitsprobleme im Speziellen: Haben gesundheitliche Probleme eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin nichts mit der ausgeführten Arbeitstätigkeit zu tun, so haben diese nichts im Arbeitszeugnis verloren. Wirken sich die Gesundheitsprobleme jedoch negativ auf das Verhalten oder die Leistung der angestellten Person aus, so hat der Arbeitgeber die Pflicht, diese zu erwähnen.

Dauer der Anstellung: Die Dauer des Arbeitsverhältnisses hat keinen Einfluss auf den Inhalt des Zeugnisses. Wer also länger als fünf Jahre in einem Betrieb angestellt ist, hat nicht automatisch Anspruch auf ein gutes Zeugnis. Zudem hat ein:e Arbeitnehmer:in vom ersten Arbeitstag an Anspruch auf ein den Leistungen entsprechendes Zeugnis. Wie sinnvoll es ist, ein Arbeitszeugnis – anstatt einer Arbeitsbestätigung – zu verlangen, wenn man in der Probezeit entlassen wurde, sei dahingestellt, aber der Anspruch besteht.Zum Weiterlesen: Hier finden Sie nützliche Tipps rund um das Arbeitszeugnis sowie Näheres zu den Formulierungen im Zeugnis.