Gast-Beitrag: Auslandserfahrung als Wettbewerbsvorteil

Cornel Müller bat mich um einen Artikel als Guestwriter und ich antwortete «klar gerne, worüber denn?» Seine Antwort war «Sie sind sehr international ausgerichtet. Genau das fehlt uns: Interessante Blogbeiträge für Menschen, die vom Ausland in die Schweiz kommen, oder von der Schweiz ins Ausland wollen. Hätten Sie dazu Content?»

Ich war zuerst sprachlos, aber in der Tat ist der internationale Aspekt wohl der rote Faden meiner Vita: meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Tscheche und ich bin mit einer Französin verheiratet. Ich habe in Deutschland, Frankreich, Oesterreich und Italien gelebt sowie Missionen und Audits in der Schweiz, Spanien, Irland, der Tschechischen Republik, Belgien und dem Senegal durchgeführt. Studiert habe ich in Deutschland, der Schweiz und den USA und – ich konnte es nicht vermeiden – ich spreche 5 Sprachen.

Was sind, auf den Punkt gebracht, die zwei Schlüsselerkenntnisse, über die ich schreiben kann?

1. Menschen sind überall anders: Ob Sie nun die Buchhaltung Ihrer Firma von Bern nach Kuala Lumpur verlagern, ein Auslandssemester an Columbia studieren oder ein Jahr Sabbatical nehmen und Waisenkinder in Somalia entwurmen: Sie werden sehen, dass Sachverhalte im Ausland anders angegangen werden als zu Hause. Und die Frage ist nicht „was ist richtig oder falsch?“, sondern vielmehr „Warum macht Ihr das hier so und so? Warum habe ich es bisher anders gemacht? Was kann ich aus beidem lernen?“. Die meisten Dinge haben einen Sinn und was zuerst unverständlich erscheinen mag, hat oft eine logische Erklärung. Bekanntermassen führen viele Wege nach Rom, und alle kommen irgendwie (und auch irgendwann…) an. Der Weg ist unterschiedlich, wenn auch das Ziel das gleiche sein mag.

Lernen können Sie aus diesem ersten Punkt Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, effizientes Kommunikationsverhalten (inklusive der Fähigkeit, erstmal zu zu hören und danach ein paar gute Fragen zu stellen), Sensibilität, Aufgeschlossenheit und Toleranz.

2. Menschen sind überall gleich: In 2007 und 2008 reiste ich beruflich durch ganz Europa und arbeitete mit den lokalen Teams. Und ob ich in Dublin, Zürich oder Prag war, ich hörte stets „ das ist ganz toll, was Du da erzählst und Du hast ja sooo recht – aber hier ist alles ganz anders!“. Diese Aussage mag für Detailfragen richtig sein, in den grossen Linien ist sie jedoch falsch: alle Kunden der Welt suchen die perfekte Lösung so schnell und preiswert wie möglich und Mitarbeiter wollen das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun; Manager möchten motivierte und leistungsfähige Mitarbeiter, die nicht kündigen oder krankwerden und Shareholder wünschen sich einen möglichst hohen Return on Investment. Die Art und Weise, wie sich dies ausdrückt und erreicht wird, ist in Osaka sicher anders als in Mexico City: Das Ziel aber ist das gleiche, auch wenn der Weg unterschiedlich sein mag.

Fertigkeiten, die Sie aus dieser zweiten Erkenntnis verwerten können, sind die Fähigkeit zur Synthese, Abstraktionsvermögen, Urteilsfähigkeit und übergreifendes Denken, aber auch Willensstärke, Risikobereitschaft und gesunder Abstand.

Zusammenfassung:

Auslandsaufenthalte machen nicht nur Ihren Lebenslauf sexy und sichern Ihnen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Gleichgestellten, Sie werden auch ganz entscheidend Ihre Sozialkompetenz schärfen – und dies ist die wichtigste Qualifikation für eine steile und krisensichere Karriere. Diese, und nicht etwa Fachwissen, werden in allen Kulturen und in jedem Corporate Context auf der Welt über Ihren Erfolg oder Ihr Scheitern bestimmen.

Es reicht jedoch nicht, diesen Artikel zu lesen: Sie müssen selbst in Italien einem Zahnarzt erklären, wo es wehtut, in Afrika zum Einwohnermeldeamt gehen oder Ihre Kinder auf einem neuen Kontinent einschulen.

Diese Erfahrungen werden Ihre Arbeitsweise nachhaltig und tiefgreifend ändern und kein unsympathischer Boss oder schmerzhafte Krise können Ihnen dies jemals wegnehmen.

Worauf warten Sie noch?

Gastautor: Jörg Stegemann arbeitet seit 2001 in der spezialisierten Personaldienstleistung und -beratung und war in dieser Zeit für drei große Unternehmensgruppen tätig. In den letzten Jahren hat er die Aufgaben Start-Up, Turn-around, Sustaining-Success und Downsizing in mehreren Ländern Europas erfolgreich durchgeführt, mehrere hundert Menschen in neue Anstellungen vermittelt und tausende von Kandidaten beraten. Jörg Stegemann bloggt auf www.JobThoughts.Net | Career advice from a headhunter

Eine Antwort zu «Gast-Beitrag: Auslandserfahrung als Wettbewerbsvorteil»

  1. Auslandserfahrung lohnt sich, auch wenn es nur um Sprachkenntnisse geht. Da lernt man die Ortssprache so schnell…