Schweizer Arbeitnehmende leiden unter zunehmender Arbeitsbelastung

Der Gewerkschaftsdachverband Travail.Suisse hat am Montag die Ergebnisse des „Barometer gute Arbeit“ präsentiert. Das Projekt entsteht seit 2015 jährlich in Kooperation mit der Berner Fachhochschule und untersucht die Qualität der Arbeitsbedingungen in der Schweiz. Arbeitnehmende beurteilen in der Befragung die Faktoren Gesundheit, Motivation und Sicherheit.

Psychosoziale Belastung ist gross

Ein Grossteil der Arbeitnehmenden beurteilt das Arbeitsumfeld als zunehmend belastend. Psychosoziale Anspannung entsteht vor allem durch Stress, emotionale Belastung, ungenügende Massnahmen zur Gesundheits- sowie Weiterbildungsförderung. Auch die Verkürzung oder gar der Verzicht auf Pausen ist für viele Arbeitnehmende Realität. Zudem nimmt die Arbeitsmenge stetig zu. Arbeitnehmende bemängeln ausserdem, nicht die Möglichkeit zu haben, ihre Arbeitsstunden selbstständig und flexibel zu gestalten.

Doch nicht in allen Regionen der Schweiz wird die Situation gleich beurteilt: Im Tessin und der Genferseeregion schätzen Arbeitnehmende die Arbeitsbedingungen deutlich pessimistischer ein als der Rest der Schweiz.

Auch beim Blick auf die Branchen lassen sich Unterschiede erkennen: Vor allem Gross- oder Detailhandel, Gastgewerbe und Beherbergung sowie Verkehr und Lagerei beurteilen die Arbeitsbedingungen als ungenügend. Für diese Branchen ist eine niedrigqualifizierte Beschäftigung mit tiefen Löhnen bezeichnend.

Steigende Lohnunzufriedenheit & sinkende Entwicklungsmöglichkeiten

Vor allem die steigende Lohnunzufriedenheit gibt zu denken: Im Vergleich zur geleisteten Arbeit beurteilen die Arbeitnehmenden den Lohn zu niedrig und dieses Verhältnis hat sich zum Vorjahr sogar noch verschlechtert. Travail.Suisse bestätigt, dass sich die Reallöhne in den letzten Jahren tatsächlich unterdurchschnittlich entwickeln. Auch die Aufstiegschancen werden von den Arbeitnehmenden 2016 grundsätzlich schlechter eingeschätzt als noch im Jahr 2015.

Verbesserungsmöglichkeiten

Um den sozialen Belastungen entgegenzuwirken, sollten regelmässig Mitarbeitergespräche geführt werden. Die Studie zeigte jedoch, dass etwa die Hälfte der Mitarbeiter entweder gar keine oder oder keine hilfreichen Mitarbeitergespräche haben.

Vorteile: In Mitarbeitergesprächen können wichtige Dinge angesprochen werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Feedbacks geben und ihre zukünftigen Vorstellungen abgleichen.

Weiterbildungen müssen aktiv gefördert werden. Per 1. Januar 2017 gilt das eidg. Weiterbildungsgesetz. Von den Arbeitgebern wird dabei verlangt, Weiterbildungen zu „begünstigen“. Den Mitarbeitenden sollten bei der Planung und Umsetzung vom Arbeitgeber unterstützt werden.

Vorteile: Weiterbildungen sind vor allem für den Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit, gerade für ältere Arbeitnehmende essenziell. Zudem wird die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gesichert.

Um sich dem Problem der schlechten Lohnentwicklung anzunehmen, werden sich die Verbände von Travail.Suisse für höhere Löhne einsetzen, indem sie zusammen mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund für 2017 eine entsprechende Kampagne entwickelt.

Trotz der vielen Probleme ist die Identifikation mit der eigenen Arbeit in der Schweiz gross. Auch die Ausstattung des Arbeitsplatzes wird allgemein positiv beurteilt. Die kurzfristige Zukunftsperspektive wird ebenfalls als gut eingeschätzt. Obwohl die konkrete Angst um den Arbeitsplatz gering ist, wird sie von den betroffenen Personen als sehr belastend empfunden. Mittelfristigen werden die Perspektiven deutlich negativer eingeschätzt. Knapp 50% der Arbeitnehmenden glauben beispielsweise nicht daran, wieder eine vergleichbare Stelle zu finden, sollte ihnen gekündigt werden.

Quellen: travailsuisse.ch, beobachter.ch